Gott wird eine Option, die ich bewusst ignoriere

Mir war klar, dass ich auch Gottes psychische Unterstützung hätte suchen können, doch irgendwie war ich enttäuscht von ihm. Er ließ mich leiden, obwohl ich seit über zehn Jahren streng auf meine Gesundheit und Ernährung achtete. Ich klagte ihn nie bewusst an, sprach diese Gedanken auch nicht aus, aber sie waren da. Deshalb ignorierte ich ihn mehr oder weniger und ging auch bewusst sonntags nicht mehr zum Gottesdienst.  Dann kam der Punkt, an dem ich all das mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren konnte und wandte ich mich von Gott schlussendlich komplett ab.

Ich möchte noch einmal betonen, dass ich zu keiner Zeit den geringsten Zweifel an der Existenz Gottes hatte, auch Dämonen glauben an ihn und zittern vor Angst, ich jedoch tat das offensichtlich nicht. Anfang 2021 dachte ich endlich angekommen zu sein, und das ganz ohne Gottes Hilfe. Durch das regelmäßige Meditieren seit Beginn der Diagnose, hatte ich meine Krankheit endlich akzeptiert und war mit mir völlig im Reinen. Ich war glücklich mit mir und meinem Leben, sodass ich im April 2021 auch kein Geheimnis mehr aus meiner Krankheit machte. Vorher schämte ich mich tatsächlich dafür, weshalb ich es sogar vor meiner eigenen Familie geheim hielt. Nun war ich an dem Punkt angelangt, mich nicht mehr zu verstecken, Ich teilte meine Geschichte in den sozialen Netzwerken und fühlte mich danach richtig befreit.  Meditation hatte mich von allen Ängsten und Selbstzweifeln befreit – dachte ich mir. Bis zu dem Moment, als mein „Ach so glückliches Leben“ mir einzelne Familienmitglieder nehmen wollte.

Beinahe meine ganze Familie erkrankte an Corona. Dabei erwischte es unerwartet die fitteste und gesündeste Person, meinen Vater am heftigsten. Ihm ging es so schlecht, dass er auf die Intensivstation kam und wir alle um sein Leben bangten. Und wie sollte es anders sein, suchte ich Trost und Hilfe bei Gott. Ich betete heulend Nächte hindurch und wollte gleichzeitig vor Scham im Boden versinken. Wenige Wochen zuvor dachte ich noch, wie gut ich auch ohne Gott zurechtkäme. Und hier war ich nun, wie ein Häufchen Elend, jammernd um den Vater besorgt. Selbst in der Kirche, von der ich zu dieser Zeit weniger hielt als jemals zuvor, suchte ich wieder die Nähe zu Gott und kämpfte während des Gottesdienstes mit den Tränen. Dort erinnerte ich mich, dass ich diese Situation vor nicht mal einem Jahr bereits erlebt hatte, als meine Mutter überraschend einen allergischen Schock erlitt, tagelang im Koma lag und knapp dem Tod entkam.

In größter Not war Gott für mich gut zu gebrauchen. Wie bemitleidenswert, nicht wahr? Sobald ER meine Gebete erhört hatte, war ich IHM natürlich unendlich dankbar, aber das wars dann auch. Wie erbärmlich ich doch war. Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich zu diesem Zeitpunkt zurückreisen, um mich selbst zu ohrfeigen. Dann würde ich mein damaliges Ich anschreien, wie oft es denn noch denselben Fehler machen will und ihm dabei einen ordentlichen Tritt in den Hintern verpassen. So angewidert und enttäuscht bin ich von meinem alten Ich. Wenn ich das alles lese, kann ich meine Dummheit kaum glauben und möchte mir gar nicht vorstellen, welchen Schmerz der Vater im Himmel durch meine Handlungen verspürt haben muss.

Vielleicht fragst du dich, warum ich dir das alles erzähle und nicht gleich auf den Punkt komme. Einfach damit du siehst, wie oft ich mich bewusst gegen IHN entschieden habe. Wie oft ich vom Weg abgekommen bin, trotz meiner christlichen Erziehung und trotz der persönlichen Erfahrung mit IHM, die ich in meinen Träumen erlebt hatte. Trotz der von IHM erhörten Gebete und wie oft der HERR mich dazu brachte, meine Knie vor ihm zu beugen. Aber gut, lasst uns nun gemeinsam weitergehen.

 

Veronika Rajic