Ach, Du bist also gläubig? – Ja, das bin ich – Und hast Du schon einmal Gott gesehen? – Nein, leider noch nicht – Also gibt es keinen Gott, wenn Du ihn nicht sehen kannst?! – Natürlich gibt es einen Gott – Und wo ist er? Ich sehe hier keinen Gott!  – Gott ist in uns drinnen!

Dieses kurze Wortgefecht mit einer ehemaligen Mitschülerin habe ich aus meiner Schulzeit noch gut in Erinnerung, als sie mich im Kunstunterricht nach meinem Glauben an Gott fragte, während ich ein Kruzifix aus einem Stück Kernseife schnitzte.

Im Laufe meines noch jungen Lebens sammelten sich einige solcher Gespräche mit Menschen an, die den christlichen Glauben nicht aktiv praktizierten oder sich zum Atheismus bekannten. Natürlich stand meine Religionszugehörigkeit nicht auf meiner Stirn geschrieben, aber das Tragen eines Rosenkranz-Armbandes und das Sich-Bekreuzigen vor jeder schriftlichen Prüfung fielen dennoch Einigen auf. Von denjenigen wurde ich meistens damit konfrontiert, dass das Christentum veraltet sei und nicht mehr dem modernen (urbanen) Zeitgeist entspräche. Die Idee, ein Leben mit Gott zu führen, wurde als anstrengend und zeitintensiv betrachtet, ausgenommen an Heiligabend, wo es voller Erwarten Geschenke gab. Für die anschließende Christmette konnte aber dann keine Zeit mehr erübrigt werden – Gott sei Dank.

Zugegeben, hatte es mich anfangs nicht sonderlich gekümmert, weshalb bereits das alleinige Bekenntnis zu Gott mit einem kritischen Auge meiner Mitmenschen betrachtet wurde. In leisen Schritten schlichen sich aber unbewusst die ersten Gedanken bei mir ein, ob mein Glaube in der modernen (westlichen) Welt nicht doch ein Auslaufmodell ist. Rückblickend lag es am Einfluss der im sozialen Umfeld steigenden Wahrnehmung einer religionsablehnenden Diskussionskultur, aber auch an meiner damaligen jugendlichen Leichtgläubigkeit. Beides bestärkten jedenfalls das stets wachsende Zweifeln am eigenen Glauben, sodass sich in mir zwangsläufig eine ständige Glaubensambivalenz einnistete und die seit meiner Kindheit bestehende Glaubensgewissheit verdrängte.

Wie bei einem Tennisspiel, wurde mein Kopf hin und her geschlagen. Je länger der Ballwechsel dauerte, desto extremer wurden die Fragen, die ich mir stellte und dabei selbst beantwortete: Wie fühlt es sich an, ein Leben ohne Gott zu führen? – Orientierungslos! – Welchen alltäglichen Nutzen habe ich wirklich von meinem Glauben? – Er spendet mir Kraft und Hoffnung! – Wird mich Gott nicht mehr lieben, nachdem ich ihn verlassen habe? – Gott liebt mich so wie ich bin!

Der plagende Glaubenskampf spiegelte sich mit den Jahren leider auch in anderen Bereichen meiner Psyche wider. Fehlendes Selbstvertrauen, quälende Zukunftsängste und ein inkonsistentes Sozialverhalten wurden zu meinen neuen Charaktereigenschaften. Als mein innerer Frieden nicht wiederzuerlangen war, musste ich feststellen, dass ich mich von meinem Ich entfernt hatte und all die Zeit meinen inneren Mitbewohner nicht zu Wort kommen ließ. Im Moment des mentalen Tiefpunktes wandte ich mich hilfesuchend an Gott und er schenkte mir eine heilende Erkenntnis: Der Weg zur Glaubensgewissheit führt über mich selbst – Möchte ich mein einzigartiges Ich wiedererlangen, muss ich zu meinem seelischen Zuhause zurückkehren, wo Gott mit mir gemeinsam von Anfang an unter einem Dach wohnt.

 

~ Anonym