Selbstliebe, ein Trendwort, welches ich gefühlt, jeden Tag höre, sodass ich bereits eine Art Abneigung gegen dieses Wort empfinde. Ja, selbst unter gläubigen, wiedergeborenen Christen, wird Selbstliebe großgeschrieben. Dabei ist das Wort Gottes ganz klar:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. “ (Matthäus 22:37-39.)

Unter vielen Gläubigen lautet die Reihenfolge ungefähr wie folgt:

  • Gott zuallererst
  • Ich, weil bevor ich mich nicht selbst lieben gelernt und meine Berufung gefunden habe, kann ich doch nicht meinen Nächsten lieben
  • Mein Nächster, wie Familie & Freunde
  • Mein Nächster, innerhalb der katholischen Kirche
  • Mein Nächster, innerhalb des Christentums
  • Die restlichen Nächsten, Kinder bevorzugt
  • Mein Feind

Ich habe das hier nur grob zusammengefasst, um den Rahmen nicht zu sprengen, denn tatsächlich werden in der Nächstenliebe zusätzliche Grenzen gesetzt, wenn es überhaupt zum dritten Punkt meiner Auflistung kommt. Denn oft endet es schon bei Punkt 2.

Man geht täglich zur Messe, ist „ununterbrochen“ im Gebet, bildet sich stätig geistlich weiter; Exerzitien hier – Gemeinschaftspflege da und vieles mehr. Man meidet die Sünde, bevorzugt jede freie Minute mit Gott allein zu verbringen, allenfalls teilt man diesen Moment noch mit Gleichgesinnten und für den Rest findet man irgendwann Zeit, wenn man sich selbst endlich lieben gelernt und die eigene Berufung, die Gott für einen bestimmt hat, erkannt hat.

“Nicht jeder, der zu mir sagt: ›Herr, Herr!‹, wird ins Himmelreich kommen, sondern nur der, der den Willen meines Vaters im Himmel tut. Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: ›Herr, Herr! Haben wir nicht in deinem Namen prophetisch geredet, in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und in deinem Namen viele Wunder getan?‹ Dann werde ich zu ihnen sagen: ›Ich habe euch nie gekannt. Geht weg von mir, ihr mit eurem gesetzlosen Treiben!” (Matthäus 7:21-23)

Bitte versteht mich nicht falsch, Zeit mit Gott und mit der Gemeinde zu verbringen ist gut, ja selbst sich zwecks Erholung von Allem und Jedem zu distanzieren. Das tat Jesus auch, allerdings dann, als er bis an die Grenzen für seine Nächsten da war. Wir sollen Salz und Licht sein, das ist unsere Berufung Nummer 1! Wir sollen lieben und dienen! Ob als Ehefrau / Ehemann oder als alleinstehende Gottgeweihte Person, ist dabei irrelevant.

Im Matthäus Evangelium, Kapitel 25 lesen wir: “Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht. Dann werden auch sie antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient? Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan. Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.”

Die Sünde meiden reicht nicht, denn Gott sagt hier nicht, was ihr tut ist Sünde, sondern was ihr nicht tut ist Sünde. Grenzenlose Nächstenliebe, Aktives Salz und Licht sein, ist die Frucht aufrichtigen Glaubens. Es bricht mir immer wieder das Herz, zu sehen, wie sich Menschen aus Angst in die Sünde zu fallen oder aus vermeintlicher Liebe zu Gott zurückziehen, sich an Gottes Füße klammern, während sie all die Menschen, die versuchen Halt auf ihren Kleidern zu finden, einfach abweisen/abstoßen. In meinen Augen ist das ein egoistischer Glaube!

“Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter“, weil sie klipp und klar egoistisch glauben. Lasse deine „christlichen Bubble“ hinter dir, wage den Schritt heraus und vergeude deine Zeit nicht damit, zeitlebens zu lernen dich zu lieben oder deine Berufung zu suchen, ohne jemals an ein Ende anzukommen!

Lerne stattdessen, dich, so wie Gott dich geschaffen hat, zu akzeptieren und Gott in deinem Nächsten zu lieben. Hierdurch kommen auch die Selbstliebe und die Erkenntnis deiner Berufung und nicht etwa, indem du dich vielleicht bis an dein Lebensende mit Gott allein in der Kirche einsperrst und deinen Nächsten so eventuell nie lieben lernst. Über den Nächsten zu Gott gelangen, ist der schmale und der sichere Weg, weil ER selbst in deinem Nächsten steckt.

Veronika Rajic