Wir mögen keine Dornen. Wir pflanzen sie nicht und wir wollen sie nicht in unserer Nähe haben – weder in unseren Gärten noch Blumenbeeten und schon gar nicht unter unserer Haut. Rosen verschenken wir gerne, doch wenn möglich ohne Dornen. Dornen sind schlecht – sie verursachen Schmerzen und sollten unbedingt vermieden und beseitigt werden. Wir wollen keine Dornen in unserem Leben! Alle sind sich einig, oder?  Tatsächlich gibt es jemanden im Universum, der ein erstaunliches Potenzial in einem Dorn sieht. Er ist dafür bekannt, dass er sie den Menschen gibt, und zwar nicht nur seinen Feinden, sondern auch seinen lieben Kindern. Wer würde so etwas tun? Gott. 

Gott hat eine andere Sicht auf Dornen als wir. Seine Wege sind oft paradox. Beispielsweise schenkte er einem unfruchtbaren Paar einen Sohn und fordert dann den Mann auf, diesen geliebten Sohn auf einem Altar zu töten. Seltsam, nicht wahr?  In meinem persönlichen Fall reichte mir der Herr Im Jahr 2019 mit einem gütigen und sanften Blick eine strahlendweise Rose. Es war die schönste Rose, die ich bis dahin je gesehen hatte, weshalb ich meine Hand ausstreckte, und diese entgegennahm.

Ouch! Ein Dorn stach in meinen Finger, und der Schmerz erfüllte meinen ganzen Körper. Ich war tagelang wie gelähmt und war von einem Moment auf der anderen auf die Unterstützung bei den banalsten Dingen, wie zum Beispiel beim Stillen meines Neugeborenen oder beim Gang zur Toilette, angewiesen. Ich war aufgrund meiner neu erworbenen Unselbständigkeit und Schwäche wütend auf den Herrn; so unfassbar wütend. „Nicht mit mir“, dachte ich und wandte Ihm deshalb meinen Rücken zu. Hilfe bei Ihm zu suchen, kam mir nicht in den Sinn. Ich rannte zu Ärzten, ließ mir Schmerzmittel verschreiben und versuchte knapp zwei Jahre lang durch Meditation ohne Gott meine Selbstheilungskräfte zu wecken.

Meine Schmerzen waren durch diese Methoden nicht fort, doch ich fand einen tragbaren Weg damit umzugehen. Meine Wut auf den Herrn jedoch blieb – Bis zu jenem Tag, als der Weg der Dornen endlich ein Ende fand und ich die wunderschöne Blütenrose sichtete, die mich mit solch einer Schönheit, Licht und Frieden erfüllte. Von einer Sekunde auf die andere, hatte ich einen Perspektivenwechsel gemacht – es war, als würde ich nach langer Zeit meine Augen wieder öffnen und klar sehen.

Ich erblickte die Rose durch Gottes Augen und sah ihre schönen Eigenschaften; Ein überaus langer, fester Stiel, der mit spitzen Dornen besetzt ist und der zu einer herrlichen Blüte führte. Ich erkannte, dass Gott beabsichtigte diesen Dorn, an dem ich mich einst gestochen hatte und die daraus entstandenen schmerzhaften Umstände für mein Heil zu nutzen. Mich durchfuhr schließlich folgender Gedanke: Wenn ein einziger Dorn so sehr schmerzt, wie viel Qual und Leid muss dann erst die Dornenkrone auf Jesu Haupt verursacht haben? Und dieser war nur ein Teil seiner Folter, damit uns Menschen auf der Erde Frieden mit Gott geschenkt werden konnte. Wir haben nicht alle eine dornenbesetzte Rose vom Herrn geschenkt bekommen, aber wenn du sie bekommst, denk daran, die Perspektive zu wechseln und sie so zu sehen, wie Gott sie sieht: Als Geschenk und als Teil deiner Geschichte.

 

Veronika Rajic