Tagtäglich bekommen wir sie zu hören. In unterschiedlichsten Situationen erwarten sie uns. Arbeitsplatz, Uni, familiäres Umfeld – kein Ort ist vor ihnen sicher. Ihr Einsatzgebiet? Vielfältig. Ihr Zweck? Genauso. Es gibt unterschiedliche Formen und sie tauchen in verschiedenen Altersgruppen auf. Doch nicht nur zu hören bekommen wir sie, auch wir sprechen sie aus. Oftmals mit einer gewissen Leichtigkeit und Raffinesse, sodass es einem nicht einmal bewusst ist. Ja, es ist schon fast ein automatisierter Prozess. So, als ob es ein Teil von uns wäre oder jedenfalls ein Teil unserer gelebten Kultur. Doch was ist dieses Beschriebene „sie“, dass sich in so vielen von uns scheinbar wie festgesetzt hat? Es sind Aussagen des Sich-Vergleichens.

Obwohl unterschiedlich in Form, haben diese Aussagen stets einen gemeinsamen Kern. Weg vom Empfinden des anderen und hin zum Fokus auf sich selbst. Jeder von uns dürfte in seinem Leben bereits solche Situationen erfahren beziehungsweise selbst einen „Beitrag“ dazu geleistet haben. Dabei schließe ich mich nicht aus. Doch heute möchte ich euch von der „hörenden Seite“ berichten, mit einem besonderen Augenmerk auf das Leid. Es bleibt zu beachten, dass das Sich-Vergleichen nicht grundsätzlich als negativ zu beurteilen ist, ein Beispiel wie ich das meine folgt weiter unten. Dieser Text dient allerdings als Denkanstoß und zur Bewusstwerdung welche Kreise Vergleiche ziehen können.

Wer kennt es nicht, kaum äußert man seinen Unmut über eine gewisse Gegebenheit in der Hoffnung auf Rat oder Tröstung, erhält man stattdessen von seinem Gegenüber ein Gegenpendant. Es sind Aussagen wie „Puh, ja was glaubst du wie es mir geht?! Ich (muss) …“ und schon ist man aus dem Spiel. Und somit auch die eigene Gefühlslage, die durch diese Äußerung schlagartig relativiert wurde. Die empfundene Wirklichkeit des Gegenübers entspricht nicht unserer Realität und somit auch nicht unserer Erfahrung. Wir beginnen uns zu vergleichen. Oft unbewusst und ohne böse Hintergedanken. Doch auch Desinteresse, Stolz, Egoismus oder schlichte Ignoranz sind zu berücksichtigende Faktoren, weshalb Äußerungen des Gegenübers relativiert werden. Indem wir den anderen allerdings nicht mehr wahrnehmen, nehmen wir ihm den Raum für seine Empfindungen und seine Wahrheit. Wir maßen uns an uns gegenseitig verstehen zu wollen, handeln jedoch oftmals komplett entgegengesetzt und beurteilen und vergleichen unterschiedliche Lebenssituationen.

So auch im Bereich des Glaubens. Das persönliche Leid wird mit dem Leid des anderen verglichen. Es kommt womöglich zu einer Herabstufung, denn auch hier zeigt sich, dass die erfahrene Wirklichkeit meines Gegenübers nicht meiner Realität und somit auch nicht meinem Empfinden entspricht. Schlussfolgernd lässt sich womöglich feststellen, dass sein Leid in meinen Augen gar kein Leid ist. Vielleicht findest du dich genau in diesen Zeilen wieder. Vielleicht hast du schon einmal so empfunden. Weißt du auch was solche Aussagen aufzeigen? Sie können auf fehlende Empathie verweisen und es besteht die Gefahr „kalt“ zu werden. Kalt für die Empfindungen des anderen. Und überheblich. Überheblich, weil du denkst, dass niemand in seinem Leben so gelitten hat wie du. Und doch stehst du da, erhobenen Hauptes und hast dich mit Gottes Hilfe da heraus befreien können. Und der andere? Der leidet, weil er seiner Lieblingsbeschäftigung nicht mehr nachgehen kann. Wie lächerlich. Was hast du schon alles durchgemacht? Lächerlich. Lächerlich wie die anderen leiden, wie sie mit ihrem Leid umgehen. Erkennst du dich in diesen Aussagen wieder? Erkennst du auch deine Überheblichkeit? Eine Überheblichkeit, die zu Arroganz und Stolz führt, zur Wurzel aller Sünden. Nur weil dir das Leid eines anderen als nicht so schlimm oder nicht so „groß“ vorkommen mag, heißt das nicht, dass diese Person weniger leidet. Jeder von uns hat sein Kreuz zu tragen. Wie können wir uns daher anmaßen das Leid unseres Gegenübers zu bewerten, ja sogar durch Aussagen zu schmälern? Richtig ist, dass es immer Personen geben wird, die mehr leiden (werden) als andere. Und wie weiter oben erwähnt, kann das Sich-Vergleichen hier auch positive Züge entwickeln. Indem ich mit einem größeren Leid, beispielsweise meines Nächsten, konfrontiert werde, vergesse ich auf meine Sorgen und diese Erkenntnis stürzt mich förmlich in Zuwendung und Hilfsbereitschaft dieser Person gegenüber.

Allerdings ist es auch legitim sein Leid als das Schlimmste von allen wahrzunehmen, denn schlussendlich bleibt es eine subjektive Erfahrung. Beachte, dass du dennoch offen für die Erlebnisse und die damit empfundene Gefühlslage deines Gegenübers bist. Das Kreuz des anderen mag womöglich leichter aussehen als deins. Aber versuche, wenigstens in Gedanken, für einen Tag sein Kreuz zu tragen. Du wirst sehen, dass nach dieser Erfahrung dir dein Kreuz wesentlich leichter vorkommen mag. Deshalb rate ich dir, maße es dir nicht an aufgrund deiner Erfahrungen das Leid deines Nächsten beurteilen zu können, denn das kannst du nicht!

 

Katarina Rajič