Wie ich vom Weg abkam und Gott unbemerkt an die letzte Stelle rutschte

Wir schreiben das Jahr 2017: Ich war glücklich verheiratet, hatte zwei gesunde Kinder, Sport und gesunde Ernährung waren an der Tagesordnung. Auch Jesus war ein sehr großer Bestandteil meines Lebens. Mein Mann arbeitete Vollzeit und ging nebenbei seinem Studium nach. Alles lief mehr oder weniger nach Plan. Ich war meistens zufrieden und motiviert, meinen Mann in seinen Vorhaben zu unterstützen. Selbst wenn dies für mich bedeutete, die meiste Zeit allein mit den Kindern zu sein. Nichtsdestotrotz wollte ich mehr aus meinem Leben machen. Und so entschied ich mich, Mitte 2017 mein Hobby zum Beruf zu machen.

Ich gründete ein kleines Unternehmen und kombinierte meine Leidenschaft für Sport und Fotografie. Völlig unerwartet fing ich schon im ersten Monat an, gutes Geld mit der Sportfotografie zu verdienen und kam mit der Arbeit fast nicht mehr hinterher. Da ich mein Unternehmen in den sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram beworben hatte und Fotos sowie Videos von mir bei der Arbeit auftauchten, wurden immer mehr Menschen  auf mich und meine sportliche Figur aufmerksam, die ich trotz meiner zwei Kleinkinder hatte.

Mit der Zeit wurden es immer mehr Fotos von mir und ich begann irgendwann, vor allem Frauen und Müttern Tipps zur gesunden Ernährung und zum Sport zu geben. Ziemlich schnell folgte ein selbstentwickelter Fitnesstanz, der mir ebenso rasch zu vielen Kunden verhalf. Da war ich nun – Sportfotografin, Fitnesstrainerin, Bloggerin und ein Vorbild vieler Frauen und Mütter. Meine zwei Kleinkinder wurden weiterhin ausschließlich von mir betreut und der Haushalt hat sich auch nicht von allein erledigt. Oh, und Jesus? Dem war ich für den unerwarteten Erfolg zwar äußerst dankbar, aber das sorgte auch dafür, dass ER immer stärker in den Hintergrund rückte.

All die Arbeit erforderte schließlich viel Zeit und Kraft, die ich mir vor allem nachts nahm, wenn die Kinder schliefen. Mein Mann hat mich geschäftlich stets bei allem unterstützt und neben seinem Vollzeitjob und seinem Studium viel Zeit und Geld in mein Unternehmen investiert. Unsere Zweisamkeit hat darunter leider noch mehr als zuvor gelitten. So verstrichen seit Beginn seines Studiums drei Jahre, in denen wir uns nur zwei Mal im Jahr bewusst zwei bis drei Stunden Zeit füreinander genommen hatten. Und zwar an unserem Hochzeits- und am Valentinstag. Unsere Gespräche, wenn wir denn welche führten, drehten sich hauptsächlich um die Arbeit. Wir nahmen uns lediglich die Zeit, unsere körperlichen Bedürfnisse zu befriedigen, während das Verlangen nach seelischer Nähe auf der Strecke blieb.

Der Wunsch nach noch mehr Erfolg, kam für mich, neben den Kindern, jetzt an die erste Stelle und Gott verlor unbemerkt an Priorität. Stattdessen investierte ich meine Zeit hauptsächlich in Weiterbildung: Marketing, NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren ist eine Sammlung von Kommunikationstechniken und Methoden zur Veränderung psychischer Abläufe im Menschen), Storytelling, sowie unzählige Bücher und Dokus über die Kraft der Anziehung, Wünsche an das Universum, Gesundheit und Ernährung standen auf der Tagesordnung. Abends saß ich obendrein stundenlang an meinen Visionstafeln. Ich visualisierte meine Ziele und Wünsche regelmäßig und meditierte immer häufiger, um meinen Kopf wieder frei zu bekommen und meinen Geist zu beruhigen.

Für das Gebet war ich anschließend zu müde, sodass ich dieses, wenn überhaupt, ganz kurzhielt. An meine Ziele und Wünsche denken und diese manifestieren, konnte ich seltsamerweise die ganze Nacht – selbst im Schlaf. Ich glaubte weiterhin an Gott, betete ab und zu und ging auch weiterhin zur Kirche, spendete regelmäßig an hilfsbedürftige Menschen und war für jeden da, der Hilfe suchte. Aus Sicht der Öffentlichkeit und heutigen Gesellschaft war ich ein „guter“ Mensch, aber innerlich war ich von Gott so weit entfernt wie noch niemals zuvor.

Ich war, um es auf den Punkt zu bringen, der „Durchschnitts-Christ“, ohne jemandem zu nahe treten zu wollen. Der berufliche Erfolg wurde immer größer, doch der Wunsch und innere Drang nach mehr und noch mehr Fortschritt (geistig, körperlich als auch im Arbeitsalltag), schien unaufhaltsam. Der Neid, der Menschen, die mir einst sehr nahe standen, stieg gleichermaßen an, und gipfelte am Ende darin, dass es in der Familie, ja sogar in unserer Ehe, kriselte. Durch meine ganze Arbeit war ich immer unmotivierter, meinem Mann bei seinem Studium unter die Arme zu greifen.

Nach drei Jahren riss mein Geduldsfaden und die Kraft, mich für seinen Erfolg zu opfern, verließ mich zur Gänze. Ich wollte endlich meine gesamte Zeit für mich und meine Arbeit verwenden. Das heißt, ich wollte, dass er sich nach seiner Arbeit auch mal um die Kinder kümmert, anstatt sich in seinem Zimmer bis in die Nacht einzusperren, um für sein Studium zu „lernen“, welches kein Ende zu nehmen schien, da er sich nach seinem Bachelor für den Master angemeldet hatte.

Mein Egoismus schrie förmlich: „Es reicht! Jetzt bin ich an der Reihe!“

Im Sommer 2018 fuhren wir in Urlaub und dazu gehörte der Wallfahrtsort Medjugorje in Bosnien.  Dort überkam mich ein tiefes Schuldgefühl und so legte ich, mit sehr viel Überwindung, nach ewig langer Zeit eine Beichte ab. Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich so geweint und schon gar nicht während einer Beichte. Ich wollte einen Neuanfang mit Gott.

 

Veronika Rajic