Seele: Herr, Herr, endlich bin ich da. Ich habe so lange auf diesen Tag gewartet und freue mich die Ewigkeit mit dir verbringen zu dürfen.

Gott: Sei gegrüßt mein geliebtes Kind. Schön, dass du an mich geglaubt hast. Lass uns doch gleich gemeinsam nachsehen, ob deine Werke ebenso dafürsprechen und wie dein Lohn dafür aussehen soll.

Seele: Sehr gerne, Herr!

Gott: Zu deinem 21ten Geburtstag ist dir drei Mal ein Bettler über den Weg gelaufen und bat dich um etwas Kleingeld, doch du bist einfach weiter gegangen. 

Seele: Ja, das stimmt. Ich bin weitergegangen, weil ich diese „Bettel Mafia“ nicht unterstützen wollte und hätte ich ihm auch nur einen Cent gegeben, hätte mir genau dieser eine Cent für die Designer Tasche gefehlt, für die ich gespart hatte.

Gott: Mhm, lass uns weiter schauen. Mit 24 Jahren hast du deiner besten Freundin 40€ nicht borgen wollen, obwohl sie dich darum mehrmals demütig gebeten hatte. Selbst als sie sagte, dass das Geld für die Medikamente ihrer sterbenskranken Mutter war, hast du ihr deine Hilfe verweigert. Einen Tag später warst du um dasselbe Geld bei der Maniküre.

Seele: Aber, ich habe dafür für sie gebetet, dass sie wieder gesund wird. Du hättest sie doch heilen können, wenn das dein Wille gewesen wäre?

Gott: Ich erledige nichts für dich, was du selbst tun kannst mein Kind. Ich habe dich mit einem guten Elternhaus, vielen Talenten und sehr guter Arbeit gesegnet, damit du vielen anderen meiner Kinder helfen kannst. Das Geld, mit dem sie ihrer Mutter die Medizin hätte kaufen können, hätte ihr das Leben gerettet. Aber gut, machen wir doch weiter. Oh, hier haben wir endlich eine „nicht verpasste“ gute Tat von dir. Mit 30 warst du ganz schön erfolgreich und keine einzige Wohltätigkeitsveranstaltung hast du ausgelassen. Große Summen an Geld hast du gespendet – endlich sehe ich ein Werk, indem deine Taten für deinen Glauben sprechen. Ein Werk der Nächstenliebe.

Seele: Ja… das habe ich Herr…

Gott: Was ist denn los mein Kind? Was bedrückt dich so sehr?

Seele: Dieses Geld habe ich gespendet, um Lob und Anerkennung von den Menschen zu bekommen. Es kam nicht aufrichtig aus meinem Herzen oder aus Liebe, Herr.

Gott: Schade, dann hast du deinen Lohn dafür bereits erhalten. Wie sieht es denn mit 40 aus? Da hattest du das 10 fache davon am Konto. Hast du denn zumindest da etwas für meine anderen Kinder getan, wenn ich dich schon mit solch einem Ruhm gesegnet habe?

Seele: Ja, Herr. Da bin ich erleichtert, denn ich habe meinem Bruder eine Villa und 2 Autos gekauft. Meinen Eltern habe ich ebenso eine Villa und eine Weltreise spendiert und meine Kinder haben stets das Beste vom Besten bekommen. Aus purer Liebe und Freude!

Gott: Für die eigene Familie gibt es keinen Lohn mein Kind, denn das sollte selbstverständlich sein. Selbst böse Menschen tun das – somit unterscheidest du dich nicht von ihnen. Was ist mit dem ganzen anderen Geld, welches du angespart hast, jedoch nicht mit den Bedürftigen vor deinem Tod teilen wolltest, obwohl genügend Gelegenheiten gegeben waren?

Seele: Ich habe das für meine Kinder gespart, die auch DEINE geliebten Kinder sind, Herr. Ich wollte deinen Segen an sie weitervererben.

Gott: Mein Kind, damit hast du viel mehr Schaden angerichtet als du Gutes getan hast. Dafür müssen nun unzählige meiner anderen geliebten Kinder auf ihre Nahrung verzichten und sogar vor Hunger sterben.

Seele: Oh Herr, bitte nicht. Ich kann mir das nicht weiter ansehen. Das sind viel zu viele. Bitte, hör auf! Ich ertrage den Anblick all dieser Gesichter nicht mehr.

Gott: Wohin gehst du mein Kind? Wir sind doch noch lange nicht fertig, das war erst der Anfang. Du hast doch gesagt, dass du an mich glaubst? Bitte, geh nicht fort mein Kind.

Seele: Ich kann nicht Herr. Ich sehe all die verpassten Gelegenheiten, Gutes zu tun. All diese Menschen, denen ich meine Hilfe verweigert habe. All das Leid an dem ich mitverantwortlich bin. Ich habe nicht geglaubt, dass du in meinem Nächsten bist. Ich sah nur mich und meine Familie und ignorierte all deine anderen Kinder – noch schlimmer, ich nahm ihnen alles weg, um in diesem Überfluss leben zu können. Deinen Segen habe ich mir selbst zum Fluch gemacht, indem ich dem Geist des Geizes meine Seele verkaufte. Ich gehe fort …

Gott: Mein Kind, bitte geh nicht. Ich liebe dich. Glaubst du denn nicht, dass ich dir all das vergeben kann?

Seele: Nein Herr. Das glaube ich nicht. Ich selbst würde mir das nämlich niemals verzeihen.

Die Seele stürzt sich in die Hölle…
„Was hilft’s, Brüder und Schwestern, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann denn der Glaube ihn selig machen? Wenn ein Bruder oder eine Schwester nackt ist und Mangel hat an täglicher Nahrung und jemand unter euch spricht zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat – was hilft ihnen das? So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber.“ Jakobus 2, 14-18

Veronika Rajic